Jahresbericht 2020
Ghana in der Pandemie
Nach dem Jubiläumsjahr 2019, in welchem der Haskey Verein 10 Jahre alt wurde, begann das Jahr 2020 leider weniger schön mit der Covid-19-Pandemie, die ab März weltweit ihre Auswirkungen zeigte. Zeitgleich mit Deutschland setzte auch Ghana ab März 2020 einen strikten, ca. sechswöchigen Lockdown um; anders als in Deutschland wurden jedoch auch Ausgangssperren verhängt und diese teils mit unverhältnismäßiger Polizeigewalt und auch mit Militärpräsenz durchgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt wurden demensprechend auch alle Schulen, Kindergärten und andere Bildungseinrichtungen geschlossen. Anders als in Deutschland wurden diese allerdings bis auf wenige Ausnahmen wie z.B. Abschlussklassen bis Ende des Jahres nicht wieder geöffnet.
In Ghana gibt es mit Stand von Anfang Januar insgesamt ca. 56.230 bestätigte Fälle von Covid-19 Infektionen, 338 Todesfälle und derzeit ca. 1,261 aktive Fälle, wobei die meisten Fälle (ca. 31.000) in der Greater Accra Region registriert wurden und deutlich weniger in der Ashanti Region (ca. 11.000), in der sich Kumasi und das Haskey Projekt befinden (vgl. https://www.ghanahealthservice. org/covid19/).
Obwohl von einer relativ hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss, sind das sehr niedrige Fallzahlen: Im Vergleich dazu gibt es alleine in Nordrhein-Westfalen1 insgesamt ca. 429.500 bestätigte Fälle und alleine ca. 62.000 aktuell infizierte Personen (vgl. https://www.corona.nrw/). Der strikte Lockdown war jedoch für eine Vielzahl von Ghanaer*innen, die dadurch plötzlich arbeitslos waren, direkt existenzbedrohend.
Zu Beginn waren die Mitarbeitenden im Projekt etwas ratlos, wie es weitergehen sollte, da vollkommen unklar war, wann die Einrichtung wieder öffnen darf. Es wurde dann aber eine ambulante Unterstützung der vom Haskey Projekt betreuten Familien organisiert: Die Mitarbeitenden besuchen regelmäßig die Kinder und Jugendlichen, die sonst in unsere Tagesbetreuung kommen, in ihren Familien, betreuen sie vor Ort und nehmen sich der Bedarfe an, die sich aus der aktuellen Krisensituation ergeben.
Die Eltern unserer Kinder arbeiten wie die Mehrzahl der Ghanaer*innen im informellen Sektor und sind daher in keinerlei Weise für eine solche Ausnahmesituation abgesichert.
Zum Vergleich: NRW hat 17,9 Mio. Einwohner und Ghana ca. 30 Mio. Einwohner Aufgrund des Lockdowns müssen sie nun ihre Kinder zu Hause betreuen und haben daher z.B. höhere Ausgaben für Lebensmittel (die Kinder bekommen in der Einrichtung kostenlose Mahlzeiten) und einen höheren Verschleiß an Kleidung (gerade die Betreuten mit Körperbehinderungen verbringen viel Zeit auf dem Boden, Krabbeln etc.), da die Kinder keine Schuluniformen tragen.
Zunächst wurden daher von den Haskey-Mitarbeiter_innen Lebensmittelpakete gepackt und an die Familien verteilt; später wurden auch Kleiderspenden und ein Rollstuhl für ein Mädchen organisiert, welches zu groß geworden war, um noch von der Mutter auf dem Rücken getragen zu werden. Die Lebensmittelpakete wurden seitdem in regel-mäßigen Abständen erneut verteilt, so dass die Familien gut mit den wichtigsten Grundnahrungs-mitteln ausgestattet sind. Dieses ist möglich, da durch die vorübergehende Schließung der Einrichtung Gelder frei geworden sind, die jetzt stattdessen in diese ambulante Unterstützung fließen. Auch die Haskey-Mitarbeiter_innen bekommen – trotz geschlossener Tageseinrichtung – weiterhin eine Bezahlung und sind so auch motiviert, ihre Arbeit weiter fortzusetzen.
Durch diese Ausnahmesituation und die Hilfsangebote, mit denen reagiert wurde, etablierte sich also nach und nach eine ambulante Betreuung. Diese Art der Betreuung ist in Ghana bisher eher unbekannt aber umso wichtiger, als dass viele Betroffene und ihre Familien sich häufig nicht von sich aus an Unterstützungsstellen wenden, da ihnen z.B. Informationen fehlen oder auch Scham in Bezug auf den Familienangehörigen mit Behinderung eine Rolle spielen kann. Für viele Eltern, unter denen auch alleinerziehende Mütter sind, ist diese häusliche Unterstützung eine dringend notwendige Entlastung, da sie wegen ihrer teils sehr pflege- und betreuungsbedürftigen Kinder kaum noch das Haus verlassen können.
Schon länger war eine ambulante Unterstützung durch Haskey-Mitarbeitende angedacht, kam aber bisher nicht richtig zustande. Dies ist also – trotz der Krisensituation – eine kleine Erfolgsgeschichte!
Derzeit sieht es glücklicherweise so aus, als ob die Tagesbetreuung bald auch wieder geöffnet werden kann: Bereits im Oktober verkündete der Ghana Education Service, dass ab Januar 2021 alle Schulen und Kindergärten wieder starten würden. Aktuell gibt es eine Pressemitteilung vom 4. Januar, in der der Start auf den 18. Januar festgelegt wurde.
Weitere Neuigkeiten aus Ghana
Im Februar, noch vor dem Lockdown, besuchten zwei Mitglieder des Vereins africa action e.V. als Teil ihrer Projektreise die Einrichtung in Kumasi, um sich ein Bild für eine mögliche Zusammenarbeit zu machen.
Es ist ja bekannt, dass die Mühlen in Ghana tendenziell etwas langsamer mahlen und in der jetzigen Situation gestaltet es sich noch etwas schwieriger als sonst, Arbeiten vor Ort zu koordinieren. Dementsprechend sind die Fortschritte auf unserem Baugrundstück derzeit noch bescheiden. Im August wurde jedoch immerhin schon mal eine niedrige Mauer rings um das Grundstück errichtet, um es abzusichern. Ein kleines Wächterhäuschen wird noch fertiggestellt.
Vereinsarbeit in Deutschland
Aufgrund der Ausnahmesituation mussten alle für 2020 geplanten Veranstaltungen wie z.B. das Kulturfestival Ruhr International, bei dem der Verein sonst immer mit einem Stand dabei ist, leider ausfallen.
Erfreulicherweise ist jedoch auf dem Spendenkonto des Vereins ein kleines finanzielles Polster entstanden, so dass in bescheidenem Rahmen mit dem Bauprojekt begonnen werden könnte. Zur Fertigstellung sind wir jedoch dringend weiterhin auf Spenden und Fördergelder angewiesen!